Manchmal stehen ja Rechtsanwälte auf verlorenem Posten. Sie sollen eine Rechtsangelegenheit vertreten und sie wissen, sie können die Sache nicht gewinnen. Was dann?
Da hilft die Pusteblumentaktik. Sie baut auf auf der alten Strategie „Hast Du kein gutes Argument, dann nimm halt ein schlechtes!“ Diese Strategie stammt aus der Politik, ist dort weit verbreitet und oft erfolgreich. Vor Gericht hilft diese Strategie eigentlich nie und erspart dem Rechtsanwalt in der Regel nur die Peinlichkeit, völlig ohne Argumente dazustehen. Allerdings kommt man bei Verkettung – je nach Blickwinkel – glücklicher oder unglücklicher und meist allzu menschlicher Umstände manchmal auch vor Gericht mit einem schlechten Argument durch, sei es, weil der Richter schlecht geschlafen hat, sei es, weil er unter Zeitdruck steht, sei es, weil die Gegenseite noch größeren Unsinn vorträgt etc. etc. Wie auch immer: Es ist nicht völlig unwahrscheinlich, dass man sich mit einem schlechten Argument durchsetzt.
Daran knüpft die Pusteblumentaktik an: Addiert man nämlich sehr viele kleine Erfolgsaussichten, dann wird die Erfolgsaussicht insgesamt größer. Man beschränkt sich entsprechend also nicht auf ein schlechtes Argument, sondern bombardiert das Gericht mit einer riesigen Menge schlechter Argumente in der Hoffnung, dass eines vielleicht zieht. So wie es die Pusteblume macht: Einen riesigen Haufen Samen in die Gegend blasen, in der Hoffnung, dass einer auf fruchtbaren Boden fällt und aufgeht.
Es gibt Rechtsanwälte, die sind auf die Pusteblumentaktik abonniert. Dafür gibt es zwei Gründe: Entweder ihnen fällt ohnehin grundsätzlich kein gutes Argument ein, oder – und man weiß gar nicht, was schlimmer ist – sie vertreten öfters aussichtslose Sachen und wissen genau, was sie tun. Das – je nach Perspektive – Dumme oder Gute an der häufigen Verwendung der Pusteblumentaktik ist, dass die häufige Verwendung auffällt.
Dumm ist, dass die Pusteblumentaktik die Gerichte nervt. Die Richter müssen sich – ohne dass es die Sache wirklich voranbringen würde – mit einem Haufen von Argumenten auseinandersetzen, die alle daneben sind, was aus Sicht der Richter überflüssig ist und schlichtweg Zeit und Kapazitäten kostet, die die Richter sinnvoller nutzen könnten. Tritt ein Pusteblumenanwalt häufiger bei demselben Gericht auf, wird man dort schon die Augen verdrehen, mit dem Erscheinen des Pusteblumenanwalts quasi schon die Aussichtslosigkeit seiner Sache verbinden und es kann passieren, dass das Gericht, sollte der Pusteblumenanwalt doch einmal das bessere Argument haben, ausgerechnet dann nicht zuhört.
Gut ist die Pusteblumentaktik für den Eindruck, den der Rechtsanwalt bei seinem Mandanten hinterlässt. Stellen Sie sich vor, Sie suchen anwaltliche Hilfe. Der Anwalt schaut sich Ihre Sache zehn Minuten an und sagt: „Lassen Sie die Finger von der Sache! Sie werden verlieren. Das Gesetz setzt A voraus und daran fehlt es.“ Sie gehen gesenkten Kopfes und enttäuscht aus der Kanzlei. Der Pusteblumenanwalt dagegen sagt: „Das werden wir durchfechten. Sie sind im Recht. Das Gesetz sagt zwar A, aber man muss das Gesetz anders auslegen. Der Gesetzgeber meinte ja wohl das Gegenteil von A. Und wenn er doch A meinte, dann hat er nicht gewusst, was er tat“. Sie gehen gehobenen Hauptes und siegesgewiss aus der Kanzlei. Und auch vor Gericht wirkt der Pusteblumenanwalt eloquent und engagiert. Die Argumente gehen ihm nicht aus. Den Prozessverlust erklärt er Ihnen mit dem Unwillen des Gerichts. Vielleicht schleppt der Pusteblumenanwalt Ihre Sache auch noch in die zweite Instanz. Obsiegt? Pusteblume! Und Sie? Sie bleiben im Recht und alle anderen irren – nur Ihr Pusteblumenanwalt nicht!
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