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Die Fuß-in-der-Tür-Gesetzgebung

Die Chinesen nennen es „Hinter dem Lächeln den Dolch verbergen“. Dahinter steht die Taktik: Etwas vortäuschen, um in Wahrheit etwas anderes tun zu können. Die Mogelpackung in Verbindung mit der Salami-Taktik ist die Strategie der Fuß-in-der-Tür-Gesetzgebung. Manchmal will der Gesetzgeber etwas, von dem er weiß, dass es auf große Widerstände stoßen könnte. Z.B. die Privatisierung von Bundesfernstraßen. Was also kann er tun? Er kann sein Vorhaben in kleine, für die Bürger verdauliche Schritte aufteilen. Und die Motivation für die Schritte durch Vortäuschung anderer Motive verschleiern, bis es kein Zurück mehr gibt, weil (angebliche) Sachzwänge zwingen weiterzumachen.

Z.B. könnte der erste Schritt zur Privatisierung der Bundesfernstraßen sein, die KfZ-Steuer aufzuspalten in einen Anteil für die Finanzierung der Bundesfernstraßen (z.B. durch eine Infrastrukturabgabe, andere würden es „Maut“ nennen) und in einen Steuer-Anteil. Als Vorwand dient die Beseitigung der Ungerechtigkeit, dass die „Halter von nicht in der Bundesrepublik Deutschland zugelassenen Fahrzeugen, die das deutsche Bundesfernstraßennetz nutzen, bislang nicht an der Finanzierung des Erhalts und des Ausbaus des Netzes beteiligt“ sind. Damit kein Bürger aufschreit „Das wird teuer!“ wird diese Aufspaltung der bisherigen KfZ-Steuer natürlich kostenneutral vorgenommen. Und damit man auch sonst nichts merkt, wird „die Infrastrukturabgabe … als elektronische Vignette (E-Vignette) erhoben. Die Fahrtberechtigung ist mit dem amtlichen Kraftfahrzeugkennzeichen verknüpft, das nach Entrichtung der Infrastrukturabgabe im System freigeschaltet wird“. Das Wort „Privatisierung“ taucht an keiner Stelle auf. Allerdings soll „die Errichtung und der Betrieb des Systems zur Erhebung der Infrastrukturabgabe … einem privaten Betreiber übertragen werden“. Nicht so schlimm, denkt der Bürger. „Solange die Bundesfernstraßen nicht privatisiert werden …“. Und das Geld kommt ja auch einem guten Zweck zugute, denn es soll im Wesentlichen „dem Verkehrshaushalt zugeführt und in vollem Umfang zweckgebunden für die Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur verwendet“ werden. Und gewöhnt sich schon mal daran, dass er für die Nutzung der Bundesfernstraßen Geld für deren Bau und Betrieb an einen Privaten entrichtet. Und bei diesem verbleiben derweil schon mal eine Vergütung in Höhe von „rund 335 Mio. Euro für die Errichtung (einmalig) und rund 164 Mio. Euro pro Jahr für den Betrieb“, während der Bürger sich gewöhnt und gewöhnt, bis er für den nächsten Schritt reif ist.

Z.B. für die Anhebung der Infrastrukturabgabe, die leider notwendig ist, weil der böse böse „Halter von nicht in der Bundesrepublik Deutschland zugelassenen Pkw und Wohnmobilen … zunächst nur auf Bundesautobahnen abgabepflichtig“ war und die Abgabepflicht zur Beseitigung dieser ungerechtfertigten Bevorteilung jetzt natürlich auch auf andere Bundesfernstraßen ausgedehnt werden muss, was zwangsläufig natürlich zu einer Erhöhung der Infrastrukturabgabe für den bösen bösen „Halter von nicht in der Bundesrepublik Deutschland zugelassenen Pkw und Wohnmobilen“ führen muss, was natürlich aus Gleichbehandlungsgründen wiederum nur dann geht, wenn auch die Infrastrukturabgabe für die Halter von in der Bundesrepublik Deutschland zugelassenen Pkw und Wohnmobilen angepasst wird … Und so weiter und so weiter. Bis wir irgendwann einmal per Abbuchungsauftrag Geld an Autobahngesellschaften für die Nutzung der Bundesautobahnen entrichten. Und nicht nur für die Nutzung der Autobahnen, sondern auch für die Renditen der Banken, Versicherungen und Investorengruppen, die hinter den Autobahngesellschaften stehen.

Da Verschleierung Teil der Fuß-in-der-Tür-Gesetzgebung ist, bedarf es eines Instrumentes um den wahren Interessen der treibenden Akteure auf die Spur zu kommen. Dazu hilft es oft bereits, ein wenig die sonstigen Aktivitäten und Äußerungen der treibenden Akteure zu recherchieren. Und siehe da: Autobahnbau: Dobrindt will private Investoren locken (Spiegel Online 6.1.2015).

Die Zitate stammen aus dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Einführung einer Infrastrukturabgabe für die Benutzung von Bundesfernstraßen (Bundesrat-Drucksache 648/14). Der Bundesrechnungshof hat festgestellt: Privater Autobahnbau lohnt sich nicht (Handelsblatt vom 12.6.2014). Das ist alles ein Frage der Perspektive. Für Banken, Versicherungen und Investorengruppen schon.

18. Mai 2015

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