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Spezialsenat des Bundesverwaltungsgerichts für Konkurrentenstreitverfahren über Bundesrichterstellen?

Verwaltungsgerichtliche Konkurrentenstreitverfahren sind Verfahren, in denen Beamte oder Richter gegen die Besetzung einer Stelle mit einem anderen Bewerber vorgehen, um selbst für die Stelle ausgewählt zu werden. Mit einem Eilrechtsschutzantrag, auch Konkurrentenschutzantrag genannt, versucht der unterlegene Bewerber, im Wege der Einstweiligen Anordnung die Ernennung des Konkurrenten zu verhindern. Im Übrigen verfolgt der unterlegene Bewerber dann sein Rechtschutzanliegen in einem Hauptsacheverfahren, der Konkurrentenklage, weiter. Nebenbei bemerkt: Es gibt auch arbeitsgerichtliche Konkurrentenstreitverfahren. Dann geht es um Stellen für Tarifbeschäftigte des Öffentlichen Dienstes.

Konkurrentenklagen betreffen zunehmend auch Bundesgerichte (siehe Legal Tribune Online: Konkurrentenklagen und Richterwahlausschuss – Richter klagen gegen die Richterwahl). Der Präsident des Bundesverwaltungsgerichts hat sich nun auf der Jahrestagung für Verwaltungsrecht des Deutschen Anwaltsinstituts für einen Spezialsenat des Bundesverwaltungsgerichts für Konkurrentenstreitverfahren über Bundesrichterstellen ausgesprochen (Quelle: Der Behördenspiegel, September 2015; Rhein Zeitung: Bundesgerichte wollen für sich ein Sonderrecht – RLP-Juristen: “Ungeheuerlich“). Hintergrund ist, dass den Bundesrichtern die Dauer der Konkurrentenstreitverfahren bei den Verwaltungsgerichten ein Dorn im Auge ist – allerdings jedoch nur, soweit Bundesgerichte von den durch Konkurrentenstreitverfahren ausgelösten langjährigen Vakanzen mit all ihren schwerwiegenden Folgen betroffen sind.

Ein bedauerlicher Vorschlag. Dass er den Verdacht schamloser höchstrichterlicher Selbstbedienung aufwerfen könnte, soll hier nicht erwähnt werden. Bedauerlich ist der Vorschlag, weil er die Möglichkeiten des Lernens aus eigener Erfahrung ignoriert. Ist doch ein Konkurrentenstreitverfahren eine der wenigen Möglichkeiten, Bundesrichter und Bundesgerichte einmal selbst die Folgen einer Rechtsprechung spüren zu lassen, die Einzelfallgerechtigkeit und glasperlenspielartige Differenzierungen in den Vordergrund stellt, Werte wie Praktikabilität, Einfachheit oder Voraussehbarkeit aber nachlässig behandelt. Unser Rechtssystem mag in weiten Bereichen an chronischer Unterbesetzung leiden. Eine andere Ursache für die teilweise unzumutbar lange Verfahrensdauer ist jedoch die Komplexität unserer Rechtsordnung, für die zwar auch der Gesetzgeber verantwortlich ist, die aber durch die Rechtsprechung zuweilen bis ins Unerträgliche gesteigert wird. Gerade dem Beamtensenat des Bundesverwaltungsgerichts ist es gelungen, aus dem Beamtenrecht einen nur noch für den Eingeweihten nachvollziehbaren Wissenschaftsbereich zu machen. Im gewiss löblichen Bemühen, jeglichen Möglichkeiten der Mauschelei bei der Konkurrenz um eine Beamtenstelle entgegenzuwirken, hat er Anforderungen an Auswahlverfahren und –entscheidung gestellt, die – sarkastisch ausgedrückt – nur erfüllt werden können, wenn sich lediglich eine Person um die Stelle bewirbt. Da den Beamtensenat des Bundesverwaltungsgerichts Schmerz und Leid der von ihm gebeutelten Beamten und Verwaltungen bislang nicht beeindruckt haben, wäre es fahrlässig, die Chance zu verbauen, dass der Fluch seiner eigenen Rechtsprechung auf ihn niederfährt und Schmerz und Leid in Gestalt immer größerer und immer länger dauernder Vakanzen verbreitet.

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Eine andere Möglichkeit wäre es, den Richtern des Beamtensenats aufzugeben, in jedem Quartal ein Auswahlverfahren mit mindestens zweihundert Bewerbern durchzuführen. Mal sehen, wie schnell sie es hinkriegen und ob sie es fehlerfrei schaffen …

19.9.2015

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