Inhalt
- Regelungen über Akten
- Sinn und Zweck der Aktenführung
- Was ist eine Akte?
- Grundprinzipien rechtsstaatlicher Aktenführung
- Akteneinsicht
- Die Behördenakte im Gerichtsverfahren
- Wie erkenne ich Unregelmäßigkeiten in der Aktenführung?
- Was mache ich beim Verdacht von Unregelmäßigkeiten in der Aktenführung?
- Schluss
Sie kann einem manchmal schon ganz schön auf die Nerven gehen mit ihren Akten und Akten und immer wieder Akten. Die Verwaltung. „Die Akte liegt mir nicht vor!“ „Das ist aber nicht bei den Akten!“. „Ich kenne die Akte nicht!“ „Geben Sie das mal her! Ich nehme das zu den Akten.“ Und der Bürger denkt: „Lasst mich in Frieden mit euren Akten! Kümmert euch lieber um meine Probleme!“
Wieso legt die Verwaltung eigentlich so viel Wert auf die Akten? Was steckt dahinter? Was bringt das? Bringt das sogar was für die Sache? Sollte man nicht auch als Bürger froh darüber sein, wenn eine Behörde ihre Akten ordentlich führt? Wie sieht denn überhaupt eine ordentliche Aktenführung aus? Darf ich die Akten einsehen? Welche Bedeutung haben die Behördenakten in Gerichtsverfahren? Woran erkenne ich, ob Akten sorgfältig geführt werden?
So trocken sich dieses Thema anhört, in der Praxis ist es voller Leben. Im Übrigen kann man sich von der Aktenführung der öffentlichen Verwaltung auch einiges für die häusliche Schriftgutverwaltung abschauen …
Regelungen über Akten
Obwohl die Behörden so viel Aufhebens um ihre Akten machen, findet man in den für die Verwaltungen wichtigsten Gesetzen, den Verwaltungsverfahrensgesetzen, kaum etwas über Akten. In § 5 Abs. 2 Satz 2 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) steht etwas über die Vorlage von Akten bei Amtshilfeersuchen. Nach § 26 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 VwVfG kann die Behörde als Beweismittel „Akten beiziehen“. § 29 VwVfG regelt das Akteneinsichtsrecht durch die Beteiligten. All diese Vorschriften zeigen, dass Behörden Akten nicht nur führen, sondern auch führen müssen. Aber seltsam ist das schon, dass es keine verwaltungsverfahrensgesetzlich ausdrücklich geregelte Pflicht gibt, Akten zu führen.
Immerhin findet man eine Etage tiefer Regelungen über Akten, nicht in den Gesetzen, sondern in Verwaltungsvorschriften, die die Verwaltungsabläufe in Behörden regeln, z.B. in der Gemeinsamen Geschäftsordnung für die Berliner Verwaltung – AllgemeinerTeil (GGO I). Auch für Verwaltungen anderer Bundesländer und für die Bundesbehörden (siehe etwa die Registraturrichtlinie für das Bearbeiten und Verwalten von Schriftgut in Bundesministerien) gelten vergleichbare Vorschriften. Soweit also im Folgenden die GGO I zitiert ist, steht sie auch exemplarisch für vergleichbare Vorschriften anderer Verwaltungen.
Sinn und Zweck der Aktenführung
Im Abschnitt „Verwaltung des Schriftguts“ gibt es in der GGO I eine Vorschrift, die Sinn und Zweck der Aktenführung auf den Punkt bringt, nämlich § 55 Abs. 1 GGO I:
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„Die Schriftgutverwaltung dient der Nachvollziehbarkeit des Verwaltungshandelns. Stand und Entwicklung der Vorgangsbearbeitung müssen jederzeit im Rahmen der Aufbewahrungsfristen aus den Akten nachvollziehbar sein. Dabei ist zu gewährleisten, dass das zur Akte genommene Schriftgut vollständig und vor Veränderung geschützt verfügbar ist. Diese Anforderungen gelten gleichermaßen für elektronische oder in Papierform geführte Akten“.
Nachvollziehbarkeit des Verwaltungshandelns
Nun wissen Sie es also: Die Aktenführung dient dazu, das Verwaltungshandeln nachvollziehbar zu dokumentieren. Die Bearbeitung eines Vorganges durch die Verwaltung soll also in der Akte so dokumentiert werden, dass ein mit der Sache nicht vertrauter Leser der Akte nachvollziehen kann, wie und warum es zu der konkreten Verwaltungsentscheidung oder den konkreten Verwaltungsentscheidungen gekommen ist.
Notwendigkeit der Nachvollziehbarkeit
Warum sollte es allerdings notwendig sein, dass ein mit der Sache nicht Vertrauter das Verwaltungshandeln nachvollziehen kann?
Verwaltungshandeln kann in einem Rechtsstaat nachvollzogen und überprüft werden – und zwar in zweierlei Hinsicht: Zum einen im Hinblick darauf, ob das Verwaltungshandeln rechtmäßig ist, zum anderen im Hinblick darauf, ob es auch fachlich sinnvoll war oder ist. Die rechtliche Beurteilung fragt danach, ob es eine Rechtsgrundlage für das behördliche Handeln gibt und alle rechtlichen Vorgaben für das behördliche Handeln eingehalten sind. Die fachliche Beurteilung richtet sich nach inhaltlichen Standards, die wissenschaftlich erarbeitet worden sein können, aber auch auf Erfahrungswerten beruhen können, oder den Stand der Praxis für bestimmte Tätigkeiten wiederspiegeln. So kann z.B. ein Bebauungsplan aus fachlicher Sicht nicht optimal sein, weil man aus der Sicht eines Urbanistikprofessors einiges hätte besser planen können, dennoch kann der Bebauungsplan rechtlich nicht zu beanstanden sein. Manchmal greifen rechtliche und fachliche Überprüfung ineinander, wenn nämlich die Rechtmäßigkeit einer behördlichen Handlung auch davon abhängt, dass fachlich das Optimum getroffen wurde.
Der Bürger möchte die Entwicklung ihn betreffenden Verwaltungshandelns, die Einhaltung der rechtlichen Vorgaben und fachlicher Standards nachvollziehen können. Je besser der Bürger das Verwaltungshandeln versteht, umso eher wird er mit dem Verwaltungshandeln einverstanden sein, auch wenn es für ihn nachteilig ist.
Möglicherweise will der Bürger sich auch gegen das konkrete Verwaltungshandeln wehren. Dann muss das Gericht das Verwaltungshandeln nachvollziehen können. Anders kann effektive Rechtskontrolle nicht funktionieren.
Innerhalb der Verwaltung ermöglicht die Nachvollziehbarkeit eines Vorganges qua Akte zunächst einmal, dass andere Behördenmitarbeiter als die ursprünglichen die Sache (weiter) bearbeiten können. Die Verwaltung wäre schlecht organisiert, wenn der zu bearbeitende Vorgang immer dann wieder völlig neu aufgerollt werden müsste, wenn der bearbeitende Mitarbeiter den Dienstposten wechselt, in den Ruhestand geht oder krank wird.
Im Übrigen soll die Aktenführung das Verwaltungshandeln auch für Vorgesetzte, Aufsichtsbehörden und andere Behörden, wie den Rechnungshof, der nachprüft, ob die Verwaltung Geld zum Fenster hinausgeworfen hat, kontrollierbar machen.
Das Handwerkszeug des Juristen
Dabei spielt auch eine Rolle, dass Akten die Verantwortlichkeiten für das Verwaltungshandeln dokumentieren. Sei es für den Fall, dass sich der Bearbeiter seinem Vorgesetzten gegenüber für sein Tun verantworten muss. Sei es, dass geprüft werden muss, ob der Bearbeiter für einen durch sein Handeln hervorgerufenen Schaden haftet. Neben den haftungsrechtlichen können auch politische Verantwortlichkeiten eine Rolle spielen. Im gewaltenteilenden Staat ist die Verwaltung nicht nur den Gerichten rechenschaftspflichtig, sondern auch den Parlamenten. Man denke nur an die Untersuchungsausschüsse, in denen regelmäßig das Thema Aktenführung und Aktenvorlage Thema ist.
Der vielleicht wichtigste Effekt der Pflicht, das Verwaltungshandeln nachvollziehbar zu dokumentieren, ist die mit der Dokumentation und der daraus resultierenden Nachvollziehbarkeit und Nachprüfbarkeit einhergehende Selbstdisziplinierung der mit dem Vorgang beschäftigten Behördenmitarbeiter, die diese davor schützt, in Ausübung ihres Amtes willkürlich, rechtswidrig oder sachwidrig zu handeln. Dieser Effekt beruht nicht nur auf der abschreckenden Wirkung, die es hat, wenn jemand weiß, dass fehlerhaftes oder gar missbräuchliches Handeln aufgedeckt werden kann, weil dieses Handeln überprüft werden kann, sondern auch darauf, dass die Dokumentation durch die schriftliche Fixierung dazu anhält, sorgfältig zu arbeiten und das Handeln an den Anforderungen zu messen, die für es nun einmal gelten.
Die höchstrichterliche Rechtsprechung sieht das alles genauso. Und da Juristen ja nichts glauben, ohne dass es mit Zitaten belegt wird, sei hier zunächst das Bundesverwaltungsgericht zitiert: “Die Pflicht zur Aktenführung soll den Geschehensablauf wahrheitsgetreu und vollständig dokumentieren und dient damit in zweifacher Weise der Sicherung gesetzmäßigen Verwaltungshandelns. Die Dokumentation soll den Geschehensablauf so, wie er sich ereignet hat, in jeder Hinsicht nachprüfbar festhalten. Sie soll hierbei nicht lediglich den Interessen der Beteiligten oder der entscheidenden Behörde dienen, sondern auch die Grundlage für die kontinuierliche Wahrnehmung der Rechts- und Fachaufsicht und für die parlamentarische Kontrolle des Verwaltungshandelns bilden. Damit wirkt die Pflicht zur wahrheitsgetreuen und vollständigen Aktenführung zugleich auch präventiv insofern auf das Verwaltungshandeln ein, als sie die Motivation zu allseits rechtmäßigem Verwaltungshandeln stärkt und rechtswidriges Verwaltungshandeln erschwert. Diese Sicherung gesetzmäßigen Verwaltungshandelns durch wahrheitsgetreue und vollständige Aktenführung dient auch dem Schutz derjenigen Beteiligten, deren persönliche Daten in den Akten festgehalten sind und über die die Akten gegebenenfalls Nachteiliges oder Belastendes auch enthalten; sie werden durch die wahrheitsgetreue und vollständige Dokumentation des Geschehensablaufs in der dargelegten Weise vor nicht rechtmäßigem Verwaltungshandeln geschützt” (Beschluss vom 16. März 1988 – 1 B 153/87 –).
Und wer immer noch Zweifel an der überragenden Bedeutung rechtsstaatlicher Aktenführung hat, der glaubt vielleicht dem Originalton des Bundesverfassungsgerichts: “Die … den zuständigen Behörden übertragene Entscheidung über … Anträge … sowie über die gegebenenfalls… zu ergreifende Maßnahmen macht – wie weithin anderes Behördenhandeln auch – die Führung von Akten erforderlich, ohne dass dies des ausdrücklichen Ausspruchs im Gesetz bedarf. Zumal bei Rechtsvorgängen, die sich … meist über längere Zeit erstrecken, ist die den Behörden nach dem Grundgesetz obliegende Vollziehung der Gesetze nicht ohne eine Dokumentation der einzelnen Verwaltungsvorgänge denkbar, die das bisherige sachbezogene Geschehen sowie mögliche Erkenntnisquellen für das zukünftig in Frage kommende behördliche Handeln enthält. Erst derartige schriftliche Akten gestatten der vollziehenden Gewalt eine fortlaufende Kenntnis aller für sie maßgeblichen Umstände ohne Rücksicht darauf, ob aus innerorganisatorischen Gründen oder wegen der Zuständigkeitsbegründung einer anderen Behörde ein neuer Bediensteter, der kein eigenes Wissen über die Vorgeschichte besitzt, mit der Bearbeitung der Sache betraut wird. Die Aktenführung liegt, worauf die Verwaltungsgerichte zutreffend hingewiesen haben, damit zugleich im wohlverstandenen Interesse des betroffenen Einzelnen, der nur auf der Grundlage möglichst vollständiger Erfassung aller rechtlich erheblichen Tatsachen seinen verfassungsrechtlich geschützten Anspruch auf angemessene Behandlung seiner Angelegenheit durch die zuständigen Behörden – und gegebenenfalls durch die Gerichte – mit Erfolg geltend machen kann” (Beschluss vom 06. Juni 1983 – 2 BvR 244/83, 2 BvR 310/83 –).
Gute Aktenführung als Grundprinzip rechtsstaatlicher Verwaltung
Ohne jetzt in die Tiefen des Staatsrechts einzusteigen, kann man sagen: Die mit der Pflicht der Verwaltung, ihr Handeln durch Dokumentation der Vorgangsbearbeitung in Akten nachvollziehbar zu machen, verfolgten Zwecke berühren Grundfunktionen staatlichen Handelns.
In der Sprache der Juristen: Es geht um Rechtsstaat, Gewaltenteilung und effektiven Rechtsschutz. Mangels Alternativen könnte die Verwaltung diesen wesentlichen Staatsprinzipien ohne ordnungsgemäße Dokumentation des Verwaltungshandelns nicht Rechnung tragen. Deshalb ergibt sich die Pflicht zur Führung ordnungsgemäßer Akten auch ohne gesetzliche Regelung unmittelbar aus dem Rechtsstaatsprinzip.
Als Kronzeuge aus der höchstrichterlichen Rechtsprechung sei noch einmal das Bundesverwaltungsgericht zitiert: “Die den Behörden nach dem Grundgesetz obliegende Vollziehung der Gesetze ist nicht ohne eine Dokumentation der einzelnen Verwaltungsvorgänge denkbar, die das bisherige sachbezogene Geschehen sowie mögliche Erkenntnissquellen für das künftig in Frage kommende behördliche Handeln enthält; dies macht die Führung von Akten erforderlich, ohne daß dies eines ausdrücklichen Ausspruchs im Gesetz bedürfte …” (Beschluss vom 16. März 1988 – 1 B 153/87 –).
Was ist eine Akte?
Bevor wir uns den Grundprinzipien rechtsstaatlicher Aktenführung zuwenden, ein paar Worte dazu, was eigentlich eine Akte ist. § 56 Abs. 1 Satz 1 GGO I definiert die Akte so: „Akten sind geordnete Zusammenstellungen von Schriftgut zu einem Sachverhalt mit eigenem Aktenzeichen. Sie können in Papierform oder in elektronischer Form vorliegen. Mischformen (Hybridakten) sind zu vermeiden.“
Der Einstieg in die Juristerei
Im Grunde ist eine Akte also eigentlich das, was Sie auch zu Hause haben, wenn Sie z.B. Unterlagen zu ihrem Stromvertrag in einem Hefter sammeln, damit Sie immer wenn Sie mit ihrem Stromversorger zu tun haben, alle Unterlagen beisammen haben: Eine Akte sind zusammen geführte Schriftstücke oder sonstige Unterlagen, z.B. Zeichnungen oder Pläne, aus denen sich der Ablauf und der wesentliche Inhalt des jeweiligen Verwaltungsverfahrens ergibt. Klassischerweise sind solche Akten geheftet. Mit der zunehmenden Digitalisierung auch der Verwaltung gibt es neben der Papierakte auch andere Aktenformen, z.B. elektronische Akten oder Mischformen, in denen Teile der Akten schriftlich, andere elektronisch gesammelt werden. Die damit verbundenen Probleme bleiben im Folgenden außer Betracht. Im Folgenden wird von der klassischen Papierakte ausgegangen.
Wie Juristen und Verwaltungsmitarbeiter nun einmal so sind, tun sie alles, um den Bürger zu verwirren, und verwenden zwei Aktenbegriffe – und leider oft in dem einen oder in dem anderen Sinne, ohne deutlich zu machen, welchen Aktenbegriff sie meinen. Der formelle Begriff der Akte bezeichnet die soeben dargestellte Zusammenfassung von Schriftstücken und anderen Dokumenten. Daneben gibt es auch den materiellen Aktenbegriff. Dieser bezeichnet alle für ein bestimmtes Verwaltungsverfahren wesentlichen Schriftstücke und Dokumente. Diese können in einer oder mehreren Akten im formellen Sinne enthalten sein. Das ist wie bei Ihnen zu Hause, wenn Sie ein ordentlicher Mensch sind: Wenn Sie z.B. eine bestimmte Stromrechnung in ihrer Akte „Strom“ aufbewahren, diese Rechnung aber auch für die Ermittlung Ihrer Steuer relevant ist, dann gehört diese Rechnung zur Akte „Strom“ im formellen Sinne und im materiellen Sinne, aber auch zur Akte „Steuer“ im materiellen Sinne. Der materielle Aktenbegriff liegt den Regelungen über die Akteneinsicht zugrunde oder über die Übersendung von Akten an Verwaltungsgerichte. Der materielle Aktenbegriff verhindert, dass wesentliche Dokumente nicht eingesehen werden können oder nicht an das Gericht übersandt werden, nur weil die Verwaltung sie in einer anderen Akte im formellen Sinne abgelegt hat. Um beim Beispiel zu bleiben: Wenn jemand ihre heimische Steuerakte einsehen wollte, um prüfen zu können, ob Sie Ihre Einkommenssteuererklärung richtig gemacht haben, dann würde dieser jemand natürlich auch die Stromrechnung sehen wollen, obwohl Sie diese im Ordner „Strom“ und nicht im Ordner „Steuer“ abgelegt haben.
Grundprinzipien rechtsstaatlicher Aktenführung
Damit die behördliche Aktenführung ihre rechtsstaatlichen Funktionen erfüllen kann, muss sie den Geschehensablauf vollständig und wahrheitsgetreu wiedergeben.
Den Grundsatz der Vollständigkeit der Akten hat das Bundesverfassungsgericht bereits verfassungsrechtlich unterlegt und dabei auch noch geklärt, dass Zweifel an der inhaltlichen Richtigkeit der in der Akte dokumentierten Informationen und Wertungen, es nicht rechtfertigen, entsprechende Aktenbestandteile zu entfernen: Die Akten sind – so das Bundesverfassungsgericht – „die Grundlage allen weiteren behördlichen Handelns und müssen daher vollständig sein,” soll die Behörde „ihrer aus der Bindung an Gesetz und Recht (Art. 20 Abs. 3 GG) und aus dem Rechtsstaatsprinzip folgenden Pflicht zur Objektivität nachkommen können. Die Vollständigkeit der Akten hängt dabei nicht von der inhaltlichen Beurteilung der erlangten Informationen ab. Das gilt auch, soweit es sich um eigene Bewertungen der mit der Sache befassten Bediensteten aus ihrer im Zeitpunkt der Niederschrift bestehenden Sicht der Dinge handelt. Anders wäre es allein, wenn die Wertungen, Mitteilungen usw. bereits im Zeitpunkt ihrer Aufnahme” in die Akten durch die Behörde “nach deren eigener Kenntnis fehlerhaft oder unhaltbar wären”. Dann gebietet “die Vollständigkeitspflicht” den Behörden “auch, schon in diesem Stadium die ihnen gegenüber deutlich gewordene abweichende Sicht der Betroffenen auch ohne förmlichen Antrag” in den Akten “festzuhalten“ (Beschluss vom 06. Juni 1983 – 2 BvR 244/83, 2 BvR 310/83 –).
Vollständigkeit der Akten
Die beispielhaft erwähnte GGO I normiert den Grundsatz der Vollständigkeit der Akten in § 36 Abs. 1 so: „Der Gang der Bearbeitung muss aus den Akten lückenlos zu ersehen sein“.
In die Akte gehört grundsätzlich das gesamte „Schriftgut“. Das sind – mit den Worten des § 55 Abs. 3 GGO I – „alle Unterlagen, die zur Erfüllung von Aufgaben“ des jeweiligen Verwaltungsträgers „erstellt oder empfangen wurden, unabhängig von der Art des Informationsträgers und der Form der Aufzeichnung. Unterlagen sind insbesondere Urkunden, Akten, papiergebundene oder elektronische Einzeldokumente, Bilder, Film- und Tonaufzeichnungen, Karten, Pläne, Risse, Karteien und Dateien mit allen ergänzenden Informationen (z. B. Metadaten)“.
Nicht sachbezogene und unwesentliche Vorgänge
Ein paar unwesentliche Lücken dürfen allerdings vorhanden sein. Denn die Dokumentationspflicht bezieht sich auf den Geschehensablauf nur, soweit er sachbezogen und wesentlich ist. Dieser Einschränkungen bedarf es, weil man sonst bis ins Unendliche dokumentieren müsste, was unendlich viel Arbeit machen würde, letztlich auch niemand lesen will und für die rechtliche und fachliche Kontrolle unerheblich ist.
Die Grundlagen des Rechts
Was wesentlich und sachbezogen und damit zu dokumentieren ist, richtet sich danach, was für eine rechtliche und fachliche Kontrolle des Vorganges erforderlich ist. Es müssen also einerseits alle Verfahrensschritte dokumentiert sein, die zu der konkreten Verwaltungsentscheidung führen. Und es muss dokumentiert werden, welchen Sachverhalt die Behörde ermittelt hat – und zwar so, dass alles, was für eine rechtliche und fachliche Beurteilung der Verwaltungsentscheidung eine Rolle spielen könnte, dokumentiert ist.
Ein nicht sachbezogenes Element des Geschehensablaufs und damit nicht zu dokumentieren ist z.B., wie oft der Bearbeiter bei der Abfassung eines Bescheides durch Telefonanrufe von wem unterbrochen wurde. Zwar mag die Qualität eines behördlichen Bescheides nur dadurch zu erklären sein, dass der Bearbeiter ständig gestört wurde und keine ruhige Minute zum Nachdenken hatte. Dabei handelt es sich jedoch mehr um eine Frage der Arbeitsbedingungen, als um einen Aspekt, der bei der rechtlichen und fachlichen Würdigung des Vorganges eine Rolle spielt.
Nicht wesentlich für den Geschehensablauf ist es z.B. auch, wenn der Bearbeiter bei einer anderen Behörde anruft und dort das Aktenzeichen einer anzufordernden Akte erfragt. Wesentlich ist dagegen, dass diese Akte der anderen Behörde beigezogen worden ist. Wesentlich sind auch interne Vermerke und Entwürfe, soweit diese den Schreibtisch des Bearbeiters verlassen haben und zum Gegenstand des Entscheidungsfindungsprozesses in der jeweiligen Behörde gemacht worden sind.
Vollständige schriftliche Dokumentation
Alle bedeutsamen Schriftstücke
Im Übrigen bedeutet der Grundsatz der Vollständigkeit der Akten zunächst einmal, dass alle für das Verfahren bedeutsamen, also sachbezogenen und wesentlichen Schriftstücke zu den Akten zu nehmen sind. Nicht bedeutsam in diesem Sinne sind z.B. schriftliche Vorüberlegungen eines Bearbeiters zur Vorbereitung eines sachfördernden Schreibens. Bedeutsam ist jedoch das Schreiben selbst.
Vermerke über nicht-schriftliche Vorgänge
Da ein Verwaltungsverfahren jedoch nicht nur aus Schriftwechsel besteht, gehört zur guten Aktenführung nach § 36 Abs. 1 Satz 2 GGO I:
„Über bedeutsame Vorgänge (z.B. Telefonate, Besprechungen, Einzelweisungen, Prüfungen, Besichtigungen, Ergebnisse von Dienstreisen), sind Vermerke anzufertigen“.
Diese Vorschrift verhindert, dass bedeutsame Vorgänge in einem Verwaltungsverfahren der schriftlichen Dokumentation entzogen werden, indem man sich nur mündlich austauscht. Nicht bedeutsam in diesem Sinne ist z.B. ein mündlicher Meinungsaustausch mit dem Vorgesetzten. Bedeutsam ist es dagegen, wenn der Vorgesetzte mündlich eine bestimmte Position in dem Verwaltungsverfahren festklopft.
Hinweise auf anderweitig veraktete Schriftstücke
Manche Schriftstücke sind für mehrere Vorgänge relevant. Um die Vollständigkeit aller betroffenen Akten in solchen Fällen zu sichern, sieht § 58 Abs. 4 GGO I vor:
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„Bezieht sich ein Schriftstück auf mehrere Akten, ist es in die Akte zu nehmen, zu der es nach seinem Hauptinhalt gehört. In die anderen Akten ist ein Hinweis, ein Auszug oder eine Kopie zu nehmen mit der Angabe, wo sich das Originalschriftstück befindet.“
Erkennbarkeit des Urhebers
Der Grundsatz der Vollständigkeit der Aktenführung umfasst auch, dass die Verantwortlichkeiten für die einzelnen Verfahrensschritte und inhaltlichen Entscheidungen in einem Verwaltungsverfahren erkennbar sind.
Darüber, wie das zu bewerkstelligen ist, gibt es natürlich auch Regeln, z.B. über Bearbeiterzeichen, Zeichnungsleisten und ähnliches, die man so zusammenfassen kann: Der Bearbeiter und die entscheidende Person bzw. die entscheidenden Personen müssen erkennbar und die Entscheidung gezeichnet haben.
Eine wichtige Vorschrift ist § 36 Abs. 2 GGO I:
„Abweichende Stellungnahmen von Führungskräften sind möglichst auf dem Vermerk anzubringen; Änderungen des Vermerks in förmlicher oder sachlicher Beziehung sind der bearbeitenden Dienstkraft vorbehalten. Wird die Fertigung eines neuen Vermerks angeordnet, kann der alte Vermerk durchgestrichen zu den Akten genommen werden“.
Diese Vorschrift sichert, dass aus der Akte ersichtlich ist, wer für welchen Verfahrensschritt, für welche Entscheidung verantwortlich ist. Diese Vorschrift soll verhindern, dass Verantwortlichkeiten verschleiert werden. Soll beispielsweise aus politischen Gründen gegen den Rat der Fachbeamten eine brisante Verwaltungsentscheidung getroffen werden, soll es nicht so sein, dass man der Akte nicht entnehmen kann, was die Fachbeamten geraten haben. Es soll nicht so sein, dass die Akte so umgestaltet wird, dass es aussieht, als sei die Hausspitze dem Vorschlag der Fachbeamten gefolgt. Die historische Erfahrung zeigt, dass es manchmal mutiger Verwaltungsmitarbeiter bedarf, um eine § 36 Abs. 2 GGO I entsprechende Dokumentation durchzusetzen.
Wahrheit der Akten
Natürlich sind Akten in einem Rechtsstaat nur dann zu gebrauchen, wenn sie auch wahrheitsgemäß geführt werden. Im Prinzip ist auch der Grundsatz der Aktenvollständigkeit nur ein Aspekt des Grundsatzes der Aktenwahrheit.
Aktenwahrheit bedeutet aber auch, dass in der Akte dokumentierte Vorgänge wahrheitsgemäß dokumentiert werden und dass Schriftstücke nicht verfälscht werden oder ähnliches.
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Klarheit der Akten
Der Vollständigkeit sei darauf hingewiesen, dass eine Akte auch so geführt werden muss, dass ein anderer sie verstehen kann. In Zeiten elektronischer Datenverarbeitung können insbesondere Vorgänge aus Massenverwaltungen nur Eingeweihte verstehen, weil vieles in unverständlichen Ausdrucken und Abkürzungen dokumentiert wird. Grundsätzlich genügt allerdings die Verständlichkeit für Eingeweihte. Im Falle der Akteneinsicht wird die Behörde dann allerdings Erklärungshilfe leisten müssen.
Sicherung der Auffindbarkeit der Akte
Einen besonderen Aspekt der Aktenklarheit behandelt § 55 Abs. 2 GGO I. Er bestimmt nicht nur, dass das „Schriftgut der Behörde einfach, wirtschaftlich und zweckmäßig zu verwalten“ ist. Es ist auch „so zu ordnen und aufzubewahren, dass es schnell ermittelt werden kann“. Es soll also nicht so sein, dass der Bearbeiter auf einen unsortierten Berg von Akten und Papieren zeigt und sagt: „Es dauert drei Wochen bis ich Ihr Schreiben gefunden habe“.
Ordnung muss also sein – und zwar sowohl innerhalb einer Akte, als auch innerhalb des gesamten Aktenbestandes.
Für die Ordnung des Aktenbestandes bedarf es eines „hierarchischen Ordnungssystems (z. B. Aktenplan)“ (§ 57 Abs. 2 Satz 1 GGO I). Auch in Zeiten elektronischer Aktenverwaltungssysteme gilt § 57 Abs. 3 GGO I:
„Das Ordnungssystem ist nach den Aufgaben der Behörde gegliedert. Das Ordnungssystem soll nach einem numerischen Ordnungsprinzip (Bildung von Aktenzeichen) verfahren und hat eine dazugehörige Inhaltsbezeichnung aufzuweisen.“
Für die innere Ordnung gilt § 58 Abs. 1 Satz 1 GGO I: „Die Akten sind übersichtlich und in einfacher Form zu führen“. Das beinhaltet auch, dass in geeigneten Fällen verschiedene Bände zu verschiedenen Teilaspekten des Vorganges angelegt werden können, z.B. bei der Entwicklung von Plänen, bei Bauvorhaben und ähnlichem.
Manipulationsschutz
“Die Pflicht … zur vollständigen Aktenführung steht nicht nur einer Hintanhaltung von Informationen und Wertungen, sondern auch deren Entfernung aus den Akten entgegen, wenn sie erst einmal rechtmäßig dort hingelangt sind. Für die Beeinträchtigung der geeigneten Grundlage objektiven behördlichen Handelns macht es keinen Unterschied, ob die Unvollständigkeit der Akten von vornherein besteht oder erst nachträglich eintritt“. So sprach es das Bundesverfassungsgericht im Beschluss vom 06. Juni 1983 (– 2 BvR 244/83, 2 BvR 310/83 –). In Erwägung dieser Worte und eingedenk dessen, dass der Mensch manchmal schlecht ist, gehört neben die Grundsätze der Aktenwahrheit und -vollständigkeit auch ein Manipulationsschutz. Nach § 55 Abs. 1 Satz 2 GGO I „ist zu gewährleisten, dass das zur Akte genommene Schriftgut vollständig und vor Veränderung geschützt verfügbar ist“.
Natürlich gilt der Manipulationsschutz sowohl für die Papierakte als auch für in elektronischer Form geführte Akten. Im Folgenden geht es der Einfachheit wegen nur um die klassische Papierakte.
Paginierung
Der einfachste Manipulationsschutz ist die sogenannte Paginierung, also die Seitennummerierung der Schriftstücke:
„Das Schriftgut wird bei papiergebundener Aktenführung in zeitlicher Reihenfolge den Akten regelmäßig in der Weise eingefügt, dass die Schriftstücke von vorn nach hinten geheftet werden, um ein buchmäßiges Lesen zu ermöglichen (chronologische Aktenführung). Die in die Akten eingeordneten Blätter sollen fortlaufend an der rechten oberen Ecke nummeriert werden“ (§ 58 Abs. 3 GGO I).
Und: „Erledigtes Schriftgut ist unverzüglich zu den Akten zu nehmen“ (§ 58 Abs. 2 Satz 1 GGO I).
Also mit anderen Worten: Eine Akte fängt bei 1 an und hört bei X auf. Geht ein Schriftstück ein, das zum Vorgang gehört, wird es bearbeitet und unmittelbar danach eingeheftet und durchnummeriert. Das nachträgliche dauerhafte Entnehmen ist dann Aktenmanipulation, wenn es nicht einen besonderen Grund für die Entnahme gibt. Praxisrelevant ist die Zugehörigkeit zu einem anderen Vorgang. Dann muss ein Fehlblatt mit Begründung an der entsprechenden Stelle eingeheftet werden.
Die Paginierung erfüllt natürlich nur dann ihre manipulationsschützende Funktion, wenn sie konsequent durchgeführt wird. Insofern ist die weitverbreitete Praxis wenig hilfreich, eine Akte erst dann zu paginieren, wenn sie von einem Gericht angefordert wird. Die Seitennummerierung erleichtert dann zwar die Bezugnahme auf eine bestimmte Seite der Akte. Ob die Akte aber so übersandt wird, wie sie angelegt worden ist, erkennt man nicht mehr.
Beschränkung der Aktenführungsbefugnis
Einen weiteren Manipulationsschutz bietet die Festlegung, wer überhaupt die Akte führen darf. Es gibt zwei Möglichkeiten: Die sogenannte Sachbearbeitungsablage und die zentrale Registratur.
Entsprechend regelt § 57 Abs. 1 der GGO I:
Die Akten werden in jeder Behörde entweder von der jeweils zuständigen Dienstkraft geführt und verwaltet (Sachbearbeitungsablage) oder durch eine zentrale Registratur. Zentrale Registraturen dürfen nur eingerichtet werden, wenn die Verhältnisse dies erfordern.
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Natürlich verhindert eine solche Vorschrift nicht wirklich, dass sich jemand hinter dem Rücken des Sachbearbeiters oder der Registraturkraft, z.B. ein nicht zuständiger Mitarbeiter, an der Akte zu schaffen macht. Aber: Es könnte auffallen …
Schutz vor unbefugtem Zugriff
Natürlich gehört auch der Schutz vor unbefugtem Zugriff zum Manipulationsschutz. Entsprechend ist nach § 59 Abs. 1 Satz 1 GGO I „Schriftgut … so aufzubewahren, dass es nicht entwendet, beschädigt, zerstört oder unbefugt eingesehen werden kann“ und nach § 59 Abs. 2 Satz 1 GGO I ist es „grundsätzlich in den Diensträumen zu bearbeiten“. Der Verbleib der Akten ist dem Dienstherrn auch aus Datenschutzgründen so wichtig, dass nach § 59 Abs. 2 Satz 2 GGO I die „Mitnahme von Schriftgut zur Bearbeitung an einem anderen Ort … der Zustimmung der Führungskraft“ bedarf. Es sei denn, das Schriftgut wird auf eine Dienstreise mitgenommen. Dann gilt diese „Zustimmung mit der Genehmigung der Dienstreise als erteilt“.
In der Praxis bedeutet das nicht etwa, dass die Akten im Panzerschrank gelagert werden. Regelmäßig genügt es, dass das Zimmer im Dienstgebäude, in dem die Akten gelagert werden, abgeschlossen wird, wenn niemand da ist. Für besonders schutzwürdige Akten gibt es auch schon mal abschließbare Schränke, manchmal sogar Tresorräume. Ob bei Aktenmitnahme die Verwahrung im Kofferraum genügt, darüber kann man streiten.
Schutz vor vorzeitiger Vernichtung
Eine besonders wirksame Methode, um unliebsame Akten verschwinden zu lassen, ist deren Vernichtung. Deshalb gibt es Regelungen über Aufbewahrungsfristen. Exemplarisch ist § 61 GGO I:
„(1) Soweit die Dauer der Aufbewahrung nicht durch Rechts- oder Verwaltungsvorschriften festgelegt ist, setzen die Behörden die Aufbewahrungsfrist selbst fest. …
(2) Das Ende der Aufbewahrungsfrist bestimmt sich nach der Dokumentationsfunktion der Akte für die Nachvollziehbarkeit des Verwaltungshandelns, nach der Sicherung von Rechten und Pflichten sowie bei nicht personenbezogen geführten Akten zusätzlich nach der Wirtschaftlichkeit und ist so kurz wie möglich festzusetzen.“
Die Akte soll also so lang wie unbedingt nötig, aber auch nicht darüber hinaus aufbewahrt werden.
Aufbewahrt wird eine Akte nach ihrem Abschluss nicht auf dem Schreibtisch des Bearbeiters, sondern in einer meist im Dachraum oder im Keller untergebrachten Altregistratur. Dazu § 60 Abs. 1 GGO I:
Das Handwerkszeug des Juristen
„Papiergebundene Akten, die für den laufenden Geschäftsverkehr nicht mehr benötigt werden, sind jährlich auszusondern und als Altakten in die Altregistratur zu übernehmen, … .“
Läuft die Aufbewahrungsfrist ab, werden die Akten auch nicht gleich auf der Müllhalde abgekippt, sondern werden einem dafür vorgesehenen Archiv, im Land Berlin dem Landesarchiv, angeboten. Dieses Archiv ist für die Langzeitaufbewahrung archivwürdiger Altakten zuständig. Es entscheidet nun aber auch nicht etwa der Bearbeiter einer Sache darüber, ob eine Akte archivwürdig ist, obwohl er natürlich Hinweise dazu geben kann, sondern das Archiv. Archivwürdig sind – mit den Worten des § 3 Abs. 2 des Berliner Archivgesetzes – „Unterlagen, die für die wissenschaftliche Forschung, die Aufklärung und das Verständnis von Geschichte und Gegenwart bleibenden Wert haben, sowie solche, deren Aufbewahrung zur Sicherung berechtigter Belange oder zur Bereitstellung von Informationen für die Gesetzgebung, Rechtsprechung oder Verwaltung unerläßlich ist oder die auf Grund von Rechtsvorschriften dauernd aufbewahrt werden müssen“.
In dem Archiv sitzen natürlich nicht tausende Mitarbeiter, um Millionen von Akten durchzusehen, ob sie Archivwürdiges enthalten. Vielmehr wird dem Archiv ein Anbietungsverzeichnis übersandt, das zumindest über Aktenzeichen, Aktentitel und Laufzeit der angebotenen Altakten informiert. Das Archiv teilt dann der Behörde mit, welche Altakten es übernehmen will. Die übrigen Akten gibt es zur Vernichtung frei. Dass bei einem solchen Verfahren so manches Archivwürdige durch die Lappen geht, ist klar. Umso wichtiger ist es, dass die Behörde, die die Akten zur Übernahme anbietet, darauf hinweist, welche Akten aus ihrer Sicht archivwürdig sind.
Das Prinzip der schriftlichen Freigabe von Altakten zur Vernichtung sichert, dass kein Mitarbeiter der aktenführenden Stelle über die Vernichtung entscheidet, sondern eine andere, nach archivarischen Grundsätzen arbeitende Behörde.
Im Übrigen werden zu vernichtende Akten natürlich nicht auf der Müllhalde abgekippt, sondern datenschutzgerecht vernichtet (vgl. § 63 Abs. 1 GGO I).
Mit der Frage der Aufbewahrung von Akten hat sich übrigens auch das Bundesverwaltungsgericht befasst – und zwar in einem Fall, in dem der Bürger die vorzeitige Vernichtung seiner Akten erreichen wollte. Das Bundesverwaltungsgericht führt dazu aus: “Die Pflicht zur Führung wahrheitsgetreuer und vollständiger Akten kann ihre präventive und ihre nachträgliche Sicherungsfunktion nur entfalten, wenn die Akten so lange aufbewahrt werden, daß sie ihre Nachweisfunktion im Bedarfsfall tatsächlich erfüllen können. Es kann deshalb keine Rede davon sein, daß sie zur Vermeidung von Verletzungen des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung schon dann vernichtet werden müßten, wenn kein Beteiligter mehr aktuelle Ansprüche gegen die Behörde erheben und diese die Akten nicht mehr zur Grundlage von aktuellen Maßnahmen gegen einen Beteiligten oder zugunsten eines Beteiligten machen könnte. Die von der Klägerin gewünschte Handhabung würde es weithin dem Zufall überlassen, ob die Verwaltungsakten, die ihnen zukommende Sicherungsfunktion tatsächlich erfüllen könnten. Die Möglichkeiten einer effektiven Rechts- und Fachaufsicht würden ebenso gemindert wie die Hindernisse, die der Zwang zur wahrheitsgetreuen und vollständigen Dokumentation einem nicht rechtmäßigen Verwaltungshandeln entgegengesetzt. Schließlich würde die von der Klägerin für rechtens und geboten gehaltene Handhabung – die jedem Beteiligten nur erlauben würde, die Vernichtung der gerade ihn betreffenden Aktenteile zu verlangen – zur Unvollständigkeit und damit zur teilweisen oder gar vollständigen Unbrauchbarkeit der Akten führen. … Eine Vernichtung von Akten kann deshalb nur für einen Zeitpunkt in Betracht gezogen werden, in dem mit Sicherheit feststeht, daß die Akten ihre die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung sichernde Dokumentationsfunktion nicht mehr erfüllen” (Beschluss vom 16. März 1988 – 1 B 153/87 –).
Dienst- und strafrechtlicher Schutz
Was wäre ein wirksamer Manipulationsschutz ohne dienst- und strafrechtliche Regelungen? Ein Papiertiger.
Die vorsätzliche Manipulation von Akten durch Beamte ist ein Dienstvergehen. In einem Fälschungsfall hat das Verwaltungsgericht München dazu deutliche Worte gefunden: „Wer amtliche Akten manipuliert, ist für den öffentlichen Dienst nicht länger tragbar“.
Der Einstieg in die Juristerei
Bestimmte Manipulationshandlungen sind strafrechtlich relevant. Sie können im Einzelfall als Urkundenfälschung nach § 267 StGB, als mittelbare Falschbeurkundung gemäß § 271 StGB, als Urkundenunterdrückung nach § 274 StGB, als Verwahrungsbruch im Amt nach § 133 StGB oder als (Prozess-)Betrug gemäß § 263 StGB strafbar sein.
Akteneinsicht
In einem Rechtsstaat gibt es prinzipiell keine geheimen Akten, es sei denn es besteht ein übergeordnetes Geheimhaltungsbedürfnis. Darum können Verfahrensbeteiligte grundsätzlich in die sie betreffenden Akten und im Zuge von allgemeiner Transparenz staatlichen Handelns auch nicht an Verfahren Beteiligte Akteneinsicht nehmen.
Akteneinsicht für Verfahrensbeteiligte
Sämtliche öffentlich-rechtlichen Verfahrensordnungen mit Ausnahme der Abgabenordnung – AO – sehen ein Akteneinsichtsrecht der an einem Verwaltungsverfahren Beteiligten vor. Beispielhaft sei hier § 29 VwVfG aufgeführt:
„(1) Die Behörde hat den Beteiligten Einsicht in die das Verfahren betreffenden Akten zu gestatten, soweit deren Kenntnis zur Geltendmachung oder Verteidigung ihrer rechtlichen Interessen erforderlich ist. Satz 1 gilt bis zum Abschluss des Verwaltungsverfahrens nicht für Entwürfe zu Entscheidungen sowie die Arbeiten zu ihrer unmittelbaren Vorbereitung. …
(2) Die Behörde ist zur Gestattung der Akteneinsicht nicht verpflichtet, soweit durch sie die ordnungsgemäße Erfüllung der Aufgaben der Behörde beeinträchtigt, das Bekanntwerden des Inhalts der Akten dem Wohl des Bundes oder eines Landes Nachteile bereiten würde oder soweit die Vorgänge nach einem Gesetz oder ihrem Wesen nach, namentlich wegen der berechtigten Interessen der Beteiligten oder dritter Personen, geheim gehalten werden müssen.
(3) Die Akteneinsicht erfolgt bei der Behörde, die die Akten führt. Im Einzelfall kann die Einsicht auch bei einer anderen Behörde oder bei einer diplomatischen oder berufskonsularischen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland im Ausland erfolgen; weitere Ausnahmen kann die Behörde, die die Akten führt, gestatten.“
Das in § 29 VwVfG erkennbare Grundprinzip zieht sich durch fast alle Akteneinsichtsvorschriften für Beteiligte: Grundsätzlich hat der Beteiligte einen Anspruch auf Einsicht in alle Akteninhalte, also in die Akten im materiellen Sinne, es sei denn, es besteht ein Geheimhaltungsbedürfnis – sei es zur Vermeidung von Nachteilen für staatliche Belange, sei es wegen berechtigter Belange Dritter. Die Akteneinsicht ist grundsätzlich bei der Behörde zu nehmen. Denn nur dort kann jemand aufpassen, dass die Akteneinsicht nicht dazu benutzt wird, Akteninhalte zu manipulieren oder gar zu zerstören. Ausnahmen werden grundsätzlich nur für Rechtsanwälte gemacht, denen man die Mitnahme der Akten in deren Kanzleiräume gestattet oder sogar dorthin übersendet – im Vertrauen darauf, dass sich der Rechtsanwalt als Organ der Rechtspflege nicht an den Akten vergreift und diese pünktlich wieder zurückgibt.
Auch die Prozessordnungen sehen mit Variationen im Einzelnen ein Recht der Verfahrensbeteiligten vor, nicht nur die Akten des Gerichts, sondern auch die beigezogenen Verwaltungsvorgänge einzusehen.
Die Grundlagen des Rechts
Akteneinsicht für nicht am Verfahren Beteiligte
Die Informationsfreiheitsgesetze des Bundes und – soweit vorhanden – der Länder gewähren Akteneinsichtsrechte auch Personen, die nicht am Verfahren beteiligt sind. Die Akteneinsicht ist dann gebührenpflichtig. Geheimhaltungsinteressen stehen einer solchen Akteneinsicht in größerem Ausmaß entgegen, als der Akteneinsicht durch Verfahrensbeteiligte. Eine Übersicht über die Informationsfreiheitsgesetze und die Kostenordnungen finden Sie bei transparency international.
Die Behördenakte im Gerichtsverfahren
Die besondere rechtsstaatliche Bedeutung der Vollständigkeit und Wahrheit der Behördenakten ist Voraussetzung für die besondere Bedeutung, die Behördenakten in Gerichtsverfahren zu Beweiszwecken und als Grundlage für die Sachverhaltsermittlung haben.
Beweiskraft von Akteninhalten
In Prozessen können Behördenakten zunächst einmal Beweiszwecken dienen.
Urkundenbeweis
Dann können sie im Wege des Urkundenbeweises verwertet werden. Eine Urkunde ist im Rechtssinne die schriftliche Verkörperung eines Gedankens. Eine Akte ist eine geordnete Sammlung von Urkunden. Beim Urkundenbeweis dreht sich alles um die in einem Dokument verkörperten gedanklichen Inhalte, z.B. Erklärungen oder die Wiedergabe der Wahrnehmung von Tatsachen.
Ein Teil der in den Akten enthaltenen Inhalte hat insbesondere im Zivilprozess und im Verwaltungsprozess eine besondere Beweiskraft, indem sie den vollen Beweis der in ihnen beurkundeten Erklärungen (§ 415 Abs 1 ZPO) oder der in ihnen enthaltenen amtlichen Anordnungen, Verfügungen und Entscheidungen (§ 417 ZPO) oder der in ihnen bezeugten Tatsachen (§ 418 Abs. 1 ZPO) begründen. Sie genießen „öffentlichen Glauben“. Im Strafprozess und im Finanzgerichtsprozess gilt das mit Abstrichen. Die Prozessordnungen kennen insofern ein differenziertes und nicht leicht zu verstehendes System der Beweiskraft von öffentlichen Urkunden.
Augenscheinbeweis
Im Einzelfall können Behördenakten auch sogenannte Augenscheinobjekte sein. Im Augenscheinbeweis geht es darum, sich von der Beschaffenheit eines Gegenstandes einen unmittelbaren sinnlichen Eindruck zu verschaffen. So kann z.B. ein in einer Akte enthaltenes Dokument in Augenschein genommen werden, um festzustellen, ob die Unterschrift unter diesem Dokument echt ist. Nicht dem Augenscheinbeweis zugänglich sind dagegen die gedanklichen Inhalte einer Akte.
Behördenakten als Grundlage für die Sachverhaltsermittlung öffentlich-rechtlicher Gerichtsbarkeiten
In den Gerichtsbarkeiten, die vor allem staatliches Handeln gegenüber dem Bürger kontrollieren, also in der Verwaltungs-, in der Sozial- und in der Finanzgerichtsbarkeit, geht die Bedeutung von Behördenakten weit über die Bedeutung als Beweismittel hinaus. In diesen Gerichtsbarkeiten gilt grundsätzlich der sogenannte Amtsermittlungsgrundsatz: Das heißt: Diese Gerichte ermitteln den Sachverhalt, den sie dann rechtlich zu würdigen haben, selbst. Anders ist es beim Zivilgericht. Dort gilt der sogenannte Beibringungsgrundsatz, demzufolge zunächst einmal die Parteien eines Gerichtsverfahrens dafür zuständig sind, den Prozessstoff zusammenzutragen.
Die zur Amtsermittlung zuständigen Gerichte können den Sachverhalt nur deshalb selbst ermitteln, weil sie den Inhalt der Behördenakte zur Grundlage ihrer Sachverhaltsermittlungen machen. Das heißt: Diese Gerichte gehen erst einmal davon aus, dass das, was in den Akten dokumentiert ist, sich auch so zugetragen hat. Wenn dort also berichtet wird, dass die Behörde bei einer Ortsbesichtigung festgestellt hat, dass zwanzig Fässer Chemikalien in der Garage gelagert sind, wird dies vom Gericht nur hinterfragt, wenn der Vortrag der Parteien Anlass dazu gibt. Z.B. weil der Garagenbesitzer behauptet, in den Fässern sei H-Milch gewesen, oder wenn das Gericht selbst Zweifel daran hat, dass das Dokumentierte auch so geschehen ist, weil es jeglicher Lebenserfahrung widerspricht oder unstimmig ist etc..
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Dass Behördenakten wesentliche Grundlage für die Sachverhaltsermittlung in den öffentlich-rechtlichen Gerichtsbarkeiten bilden können, ist natürlich nur vertretbar, wenn die Gerichte grundsätzlich darauf vertrauen können, dass die Akten so geführt werden, dass sie wahr und vollständig sind.
Vermutung der Richtigkeit und Vollständigkeit, Beweislastumkehr
Wie sehr die Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte auf die Richtigkeit und Vollständigkeit der Aktenführung vertraut zeigt eine Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz (Urteil vom 02. Oktober 1991 – 7 A 10880/91 – Rn. 27). Dort heißt es: „Es entspricht einem allgemein im Recht der Dokumentationspflichten anerkannten Rechtsgrundsatz – der auch auf die Verwaltungsaktenführung anzuwenden ist -, dass eine dem äußeren Anschein nach ordnungsgemäß geführte Dokumentation grundsätzlich die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit für sich hat, und zwar bis zum Beweis des Gegenteils“.
Umgekehrt kann eine miserable Aktenführung nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern (Beschluss vom 22. 12. 2000 – 2 L 38/99) im Einzelfall rechtfertigen, die Beweislast umzukehren. In dem zugrundeliegenden Fall betraf dies eine Behauptung der Behörde, dass der Kläger die falschen Anträge übersandt hätte, was dieser wiederum bestritt und eigentlich zu beweisen gehabt hätte. Das hätte sich auch leicht aufklären lassen, wenn die Behörde die übersandten Anträge so veraktet hätte, dass man hätte feststellen können, was der Kläger der Behörde übersandt hatte. Deshalb nahm das Gericht eine Umkehr der Beweislast an.
Aktenvorlage in Gerichtsverfahren
Sämtliche Prozessordnungen, aber auch andere Verfahrensordnungen sehen die Möglichkeit vor, dass das Gericht Akten beiziehen kann. In Gerichtsverfahren der Verwaltungsgerichtsbarkeit (§ 99 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO -), der Sozialgerichtsbarkeit (vorausgesetzt in § 199 Sozialgerichtsgesetz – SGG -) und der Finanzgerichtsbarkeit (§ 71 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung – FGO -) haben die an dem Rechtsstreit beteiligten Behörden ihre Akten bzw. Verwaltungsvorgänge zwingend vorzulegen, auf Anforderung auch nicht beteiligte Behörden (§ 86 FGO). Die zwingende Aktenvorlage ist die Konsequenz daraus, dass die Behördenakten Voraussetzung dafür sind, dass diese Gerichte ihre Amtsermittlungspflicht erfüllen können.
Im Zivilprozess dagegen haben Behörden nur nach Maßgabe des § 432 ZPO Urkunden und damit zumindest Aktenbestandteile vorzulegen. Im Strafprozess müssen Behörden Akten nach § 95 Abs. 1 StPO als Beweismittel vorlegen.
Die Aktenvorlagepflicht umfasst grundsätzlich alle Vorgänge, die das Gericht anfordert. Bei der Aktenanforderung im Verwaltungs-, Sozial- und Finanzgerichtsprozess gilt: Da das Gericht normalerweise nicht weiß, welche Vorgänge genau vorhanden sind, fordert es die „Verwaltungsvorgänge“ an. Diese Anforderung ist so zu verstehen, dass alle in Zusammenhang mit dem Streitgegenstand stehenden Akten und Urkunden vorgelegt werden müssen, die dem Gericht dazu dienen können, den Sachverhalt so umfassend aufzuklären, dass eine Grundlage für die Führung und Entscheidung des Prozesses besteht. Das sind in der Regel alle im Verwaltungsverfahren angefallenen Akten und Dokumente.
Im Übrigen entscheidet über den Umfang der Aktenvorlage das Gericht, nicht etwa die Behörde.
Die Pflicht zur Aktenvorlage an Gericht findet ihre Grenze in einem in den jeweiligen Prozessordnungen unterschiedlich ausgestalteten Geheimnisschutz: Beispielhaft ist § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO:
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„Wenn das Bekanntwerden des Inhalts dieser Urkunden, Akten, elektronischen Dokumente oder dieser Auskünfte dem Wohl des Bundes oder eines Landes Nachteile bereiten würde oder wenn die Vorgänge nach einem Gesetz oder ihrem Wesen nach geheim gehalten werden müssen, kann die zuständige oberste Aufsichtsbehörde die Vorlage von Urkunden oder Akten, die Übermittlung der elektronischen Dokumente und die Erteilung der Auskünfte verweigern.“
Für Fälle der Verweigerung der Aktenvorlage wegen Geheimhaltungsbedürftigkeit sehen die VwGO und die FGO besondere Verfahren vor, die zu schildern, hier zu weit geht.
Wie erkenne ich Unregelmäßigkeiten in der Aktenführung?
Anzeichen für Unregelmäßigkeiten in der Aktenführung können eine fehlende, unvollständige oder geänderte Paginierung sein oder, Schriftstücke zur Sache, die aus heiterem Himmel, also ohne Zusammenhang in der Akte auftauchen, z.B. Antwortschreiben in der Akte, ohne dass entsprechende Anforderungsschreiben in der Akte enthalten sind. Für den Verwaltungspraktiker ergeben sich auch aus Abweichungen zum typischen Akteninhalt Hinweise auf Unregelmäßigkeiten bei der Aktenführung. Ist eine Akte bei schwierigen und bedeutsamen Vorgängen besonders dünn, kann dies auf fehlende Inhalte hinweisen.
Jedoch sollte man sehr vorsichtig sein, eine Behörde der Aktenmanipulation zu verdächtigen. Unregelmäßigkeiten in der Aktenführung haben fast immer keine zu missbilligenden Gründe. Um böse Absicht handelt es sich in den seltensten Fällen. Oft handelt sich ohnehin nur auf den ersten Blick um Unregelmäßigkeiten. Zum Beispiel wird häufig die Seitenzählung nachträglich geändert, weil ein Teil des Vorganges – aus welchen Gründen auch immer – nicht in der zeitlichen Reihenfolge eingeheftet war und der Fehler erst später bemerkt worden ist. Fehlende Anforderungsschreiben können darauf beruhen, dass routinemäßig mündlich oder per Mail angefordert worden ist und der Bearbeiter eine entsprechende Dokumentation nicht für notwendig hielt. Eine Akte kann deshalb erstaunlich dünn sein, weil wesentliche Bearbeitungsschritte von einer anderen Stelle vorgenommen worden und dort bearbeitet und veraktet worden sind.
Was mache ich beim Verdacht von Unregelmäßigkeiten in der Aktenführung?
Wenn Sie einen Verwaltungsvorgang einsehen und den Eindruck haben, dass die Aktenführung unregelmäßig ist, oder Sie sogar den Verdacht haben, dass die Akte manipuliert worden ist, dann sollten Sie zunächst bei der aktenführenden Stelle nachfragen. Fast immer wird man ihnen eine ausreichende Erklärung geben können, manchmal auch vermisste Aktenbestandteile nachliefern können. Falls das nicht der Fall ist, bleibt Ihnen natürlich die Möglichkeit, sich an die vorgesetzte Stelle zu wenden. Geht es um Behördenakten, die in einem Gerichtsverfahren vorgelegt worden sind, dann sollte man dem Gericht seine Zweifel mitteilen. Dieses kann dann für weitere Aufklärung sorgen.
Schluss
Als aufmerksamer Leser haben Sie natürlich gleich festgestellt: Das Eingangszitat „quod non est in actis, non est in mundo – Was nicht in den Akten ist, ist nicht in der Welt“ spiegelt hervorragend das große Vertrauen, das die Verwaltungs-, Sozial- und Finanzgerichte in die Richtigkeit und Vollständigkeit der Akten setzt, wenn sie ihrer Pflicht, den entscheidungserheblichen Sachverhalt von Amts wegen selbst zu ermitteln, nachkommen.
Doch Sie sind auf dem Holzweg: Obwohl das Zitat vom Wortlaut her genau trifft, bezieht es sich historisch auf das glatte Gegenteil des Amtsermittlungsgrundsatzes, nämlich auf den Beibringungsgrundsatz des Zivilprozesses und dort nicht etwa auf die Akte einer Behörde, sondern auf die Akte des Gerichts. Der Grundsatz „quod non est in actis, non est in mundo“ besagte im römischen Recht nämlich, dass das Gericht nicht über etwas entscheiden kann, was ihm nicht vorgetragen worden und damit auch nicht Inhalt der Akte des Zivilgerichts geworden ist. Welche Bedeutung aber der Inhalt der Akte eines Gerichts hat, ist ein völlig anderes Thema …
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