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Erfolgsaussichten einer Asylklage

In der Öffentlichkeit weit verbreitet ist das Bild, dass Asylklagen wenig Erfolg haben. Es sieht so aus, als würden Anwälte und Flüchtlingsorganisationen Flüchtlinge in sinnlose Verfahren treiben. Aber dieses Bild wird durch statistische Analysen relativiert – zumindest was den bundesdurchschnittlichen Asylbewerber angeht.

Im Beitrag „Erfolgsaussichten einer Klage vor den Verwaltungsgerichten: Die Behörde hat fast immer Recht“ wurde die Statistiken des Bundesamtes für Statistik „Rechtspflege – Verwaltungsgerichte 2014 (PDF)“ (Excel-Datei) ausgewertet und festgestellt, dass die Behörde mit 83,5 prozentiger Wahrscheinlichkeit obsiegen wird. Dieses Ergebnis bezog sich auf verwaltungsgerichtliche Streitverfahren ohne Asylklageverfahren und Disziplinar- und berufsgerichtliche Verfahren. Wertet man die Justizstatistiken in Bezug auf Asylklagen aus, stellt man überraschenderweise fest, dass die Erfolgsaussichten eines Asylklägers geringfügig höher sind als die von Klägern in anderen verwaltungsgerichtlichen Klageverfahren. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) hat zu 80,09 % Recht. Die Erfolgsaussichten sind 1 zu 4.

Auswertung der Statistiken des Bundesamtes für Statistik

Bundesweit wurden im Jahre 2014 29.307 Asylklagen von den Verwaltungsgerichten erledigt. Im Folgenden wird diese Zahl Gesamtzahl der Verfahren genannt werden. Das ist nicht hundertprozentig korrekt. Denn diese Zahl ist bereinigt um Erledigungen durch Ruhensanordnungen, Verweisungen oder Verbindungen. Solche Erledigungen erfolgen jedoch ohne inhaltliche Prüfung der Klage und sind im Hinblick auf die Erfolgsaussichten ohne Aussagekraft.

Erfolgsquote bei streitigen Entscheidungen

In 48,83 % der Asylklageverfahren vor den Verwaltungsgerichten werden streitige Entscheidungen gefällt, ergehen also in der Regel Urteile. Dieser Anteil ist erheblich höher als der entsprechende Anteil, nämlich 28,56 %, bei den verwaltungsgerichtlichen Klagen, die nicht Asyl betreffen. Das zeigt, dass das Potential für unstreitige Erledigungen bei Asylklagen erheblich geringer ist als bei anderen Klagen. Das liegt auch auf der Hand, geht es doch für den Asylkläger grundsätzlich um Bleiben oder Nichtbleiben, um eine existenzielle Frage also.

Von den durch streitige Entscheidung erledigten Asylklagen hat die Klägerseite

  •    voll obsiegt in 18,71 %,
  •    teilweise in 11,89 %,
  •    voll verloren in 69,40 %.

Geht man davon aus, dass das Gewinn-Verlust-Verhältnis beim teilweisen Unterliegen 50 % beträgt, dann beträgt die Obsiegensquote der Asylkläger 24,66 % und die Unterliegensquote 75,34 % der durch streitige Entscheidung erledigten Verfahren. Die entsprechenden Quoten liegen für Nicht-Asylklagen bei 18,96 % Obsiegen und 81,04 % Unterliegen.

Bezogen auf die Gesamtzahl der Verfahren stellen sich die Erfolgsquoten der Asylkläger wie folgt dar: Die Klägerseite hat durch streitige Entscheidung

  •    voll obsiegt in 9,14 %,
  •    teilweise in 5,80 %,
  •    voll verloren in 33,89 %

der Gesamtzahl der Asylklageverfahren. Geht man wiederum davon aus, dass das Gewinn-Verlust-Verhältnis beim teilweisen Unterliegen 50 % beträgt, haben die Asylkläger also in Bezug auf alle Verfahren durch streitige Entscheidung zu 12,04 % obsiegt und waren zu 36,79 % unterlegen. Die entsprechenden Quoten liegen für Nicht-Asylklagen bei 5,41 % Obsiegen und 18,96 % Unterliegen.

Erfolgsquote bei unstreitigen Erledigungen

Etwa die Hälfte aller Asylklagen werden im Bundessschnitt nicht durch eine streitige Entscheidung, sondern unstreitig erledigt. Relevant sind insofern die Rücknahme und die Hauptsachenerledigung. Der Prozessvergleich kommt zwar bei Asylklageverfahren vor, aber im Bundessschnitt nur in 0,1% der Fälle und bleibt deshalb hier außer Betracht.

Da es bei den unstreitigen Erledigungen keine streitige Entscheidung gibt, gibt es auch keine Daten über den Erfolg der unstreitig erledigten Verfahren. Unstreitigen Erledigungen liegen allerdings zuweilen inhaltliche Erfolge zugrunde, weil die Behörde ganz oder zumindest teilweise nachgegeben hat. Deshalb bedarf es insofern fiktiver Erfolgsquoten, die die Genauigkeit der Auswertung beeinträchtigen, aber in die richtige Richtung gehen dürften.

Viele der Asylklagen, nämlich 32,95 %, werden durch Rücknahme beendet. Formal ist eine Rücknahme ein Sieg der beklagten Behörde. Bei den Nicht-Asylklageverfahren beruht ein gewisser Teil von Rücknahmen auch auf behördlichem Entgegenkommen. Bei den Asylklageverfahren dürfte dieser Anteil allerdings verschwindend gering sein, so dass die fiktive Erfolgsquote hier auf Null zu setzen ist. Ein großer Teil der Rücknahmen basiert auf der mit dem Nichtbetreiben des Verfahrens nach § 81 AsylVfG verbundenen Rücknahmefiktion. Im Übrigen ist das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in den meisten Terminen zur mündlichen Verhandlung nicht vertreten, so dass auch von daher kaum Raum ist, ein gegenseitiges Nachgeben auszuhandeln. Aber auch inhaltlich dürfte wenig Raum für gegenseitiges Nachgeben sein, wenn man einmal von der Möglichkeit absieht, nach § 38 Abs. 3 AsylVfG die Ausreisefrist auf drei Monate zu verlängern.

Weitere 18,21 % der Verfahren werden durch Hauptsachenerledigung erledigt. Grund dafür ist in der Praxis manchmal ein Nachgeben des Bundesamtes. Mangels anderer Anhaltspunkte wird hier davon ausgegangen, dass der Nachgebensanteil des Bundesamtes der entsprechenden Verlustquote bei den streitigen Erledigungen entspricht. Weil Behörden sich auf eine Erledigungserklärung zur gütlichen Beilegung eines Rechtsstreits wegen der Kostenfolgen nur dann einlassen, wenn ihre Karten sehr schlecht sind, wird insofern von einem vollen Nachgeben ausgegangen. Hinsichtlich des verbleibenden Restes kann angenommen werden, dass die Obsiegens- und Unterliegensquoten den summierten Quoten von Rücknahmen und streitigen Entscheidungen entsprechen. Daraus ergibt sich dann für die Asylkläger für die Hauptsachenerledigungen eine fiktive Obsiegensquote der Kläger von 7,87 % bezogen auf die Gesamtzahl der Verfahren.

Ergebnis: Erfolgsaussichten in erster Instanz vor den Verwaltungsgerichten

In der Addition kann man feststellen, dass im bundesweiten Schnitt im Jahre 2014 die Erfolgswahrscheinlichkeit, in erster Instanz vor den Verwaltungsgerichten mit einer Asylklage zu obsiegen, 19,91 % betrug und damit etwas höher lag, als bei den Nichtasylklagen (16,57 %). Das Bundesamt hatte zu 80,09 % Recht.

Für den bundesdurchschnittlichen Asylkläger ist das Klagen angesichts der existenziellen Bedeutung, die der Aufenthaltsstatus für ihn hat, bei einer Ein-Fünftel-Erfolgsaussicht eine Chance, die zu ergreifen sich loht. Das gilt aber nicht für alle Asylbewerber.

Differenzierung nach Herkunftsländern

Die Erfolgsaussichten unterscheiden sich nämlich je nach Herkunftsland sehr stark. Aufschluss darüber gibt die Tabelle auf Seite 58 der Broschüre Das Bundesamt in Zahlen 2014 des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge. Die dortigen Zahlen stimmen aus unbekannten Gründen mit den hier zugrunde gelegten Zahlen der Justizstatistik nicht überein. Jedoch lässt sich dieser Tabelle einiges dazu entnehmen, für Asylbewerber welcher der zehn stärksten Herkunftsländer die Chancen eines Prozesserfolges besonders hoch und besonders niedrig sind. Die folgende Tabelle weist die Misserfolgsquote in dem Sinne aus, dass der Asylkläger mit seiner Klage überhaupt nichts erreicht hat, also weder die Anerkennung als Asylberechtigter oder als Flüchtling noch die Gewährung subsidiären Schutzes noch nicht einmal die Feststellung eines Abschiebungsverbotes.

  1. Serbien (99,7 %)
  2. Mazedonien (99,2 %)
  3. Bosnien und Herzegowina (98,8 %)
  4. Russische Föderation (98,7 %)
  5. Kosovo (98,1 %)
  6. Sonstige (91,5 %)
  7. Irak (85,1 %)
  8. Iran (76,4 %)
  9. Pakistan (70,8 %)
  10. Afghanistan (64,8%)
  11. Syrien (62,8 %)

Asylbewerbern aus den ersten fünf Ländern dieser Tabelle wird man aus Sicht der Statistik mit gutem Gewissen keine Klage empfehlen können.

Erfolgsaussichten vor den Oberverwaltungsgerichten und Verwaltungsgerichtshöfen in zweiter Instanz und vor dem Bundesverwaltungsgericht

Die Statistik „Rechtspflege – Verwaltungsgerichte 2014 (PDF)“ (Excel-Datei) ist im Hinblick auf die Erfolgsaussichten der Asylklageverfahren in den Rechtsmittelinstanzen unergiebig.

Noch ein Wort zu regionalen Besonderheiten

Die oben stehenden Berechnungen zur Verwaltungsgerichtsbarkeit wurden auf der Basis und unter Verwendung der Tabelle 1.2.2 der Statistik „Rechtspflege – Verwaltungsgerichte 2014 (PDF)“ (Excel-Datei) des Statistischen Bundesamtes auch für die einzelnen Bundesämter durchgeführt. Die Ergebnisse dieser Berechnungen können Sie der Tabelle  Asylklagen Erfolgsaussichten 2014 (PDF) (Excel) entnehmen. Auffällig ist, dass sich die Unterliegensquoten von Land zu Land deutlich unterscheiden. Berlin hat nach diesen Berechnungen mit 83,98 % die höchste Unterliegensquote, dicht gefolgt von Nordrhein-Westfalen mit 82,54 %. Hessen hat mit 31,17 % die niedrigste Unterliegensquote. Da die Asylkammern oft kampagnenartig zu Klagen aus bestimmten Herkunftsländern entscheiden und diese Kampagnen in den einzelnen Ländern nicht synchron verlaufen, lässt sich nicht sagen, ob hinter regionalen Unterschieden unterschiedliche Vorverständnisse und Präferenzen in den Gerichten stehen. Dazu müsste man die Quoten über einen längeren Zeitraum analysieren. Noch aussagekräftiger wäre eine Differenzierung nach Herkunftsländern. Es gibt also noch viel zu tun für das Bundesamt für Statistik!

 

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